Nov

2020

Simon Herzog: Sturmflut in Ost-Pakistan 1970

Am 13. November 1970, ausgerechnet einem „Freitag dem 13.“, ereignete sich an der Küste Ost-Pakistans (heutiges Bangladesh) in Folge eines Zyklons eine Sturmflut mit bis dahin unbekanntem Ausmaß. Heute würde man von einem Tsunami sprechen. Weite Landstriche im Mündungsbereich der Flüsse Ganges und Brahmaputra wurden überflutet. Man ging in damaligen Schätzungen von 200.000 Toten aus, dies wurde zwischenzeitlich auf rund 500.000 nach oben korrigiert.

Bereits am folgenden Montag, dem 16. November, ergingen erste Aufträge aus dem Krisenstab des Bundesinnenministeriums über das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz an die THW-Landesverbände Niedersachsen und Hessen. Marschbereitschaft wurde hergestellt, Helfer und Ausstattung ins THW-Gerätelager Mehlem bei Bonn transportiert. Dann, am 18. November, vorerst Ernüchterung: Die Regierung Pakistans reagierte ablehnend auf internationale Hilfsangebote, die Helfer wurden in ihre Heimat zurückgeschickt.

Helferinnen und Helfer des Malteser Hilfsdienstes und THW auf dem
Weg ins Katastrophengebiet – Bild: THW-Leitung

Ein Wandel in der Einstellung der pakistanischen Regierung stellte sich erst eine Woche nach der Katastrophe ein. So kam es, dass die ersten 19 THW-Helfer am 23. November ins Katastrophengebiet geflogen wurden. Mit dabei ein VW-Kombi mit Funkgerät und zwei VW Transporter des Landes Niedersachsen, in denen Trinkwasseraufbereitungsanlagen montiert waren. Tags darauf wurden mit einer weiteren Maschine Sanitäts- und Zeltausstattung gemeinsam mit einer Gruppe von Ärzten und Schwestern des Malteser Hilfsdienstes, unter Begleitung eines THW-Helfers, ausgeflogen.

Das von THW und MHD gemeinsam errichtete Feldlazarett auf der
Insel Hatia. Bild: THW-Leitung

Einen Tag später erreichte die erste Maschine die ost-pakistanische Hauptstadt Dacca, von wo Mannschaft und Ausstattung am 25. November weiter nach Chittagong an den Rand des Einsatzgebietes gebracht wurden. Die Transportflüge vor Ort übernahmen Transall-Flugzeuge und Hubschrauber der Bundesluftwaffe, die mit Besatzung dorthin verlegt worden waren.

In Chittagong bereiteten der THW-Mannschaft schlechte Absprachen zwischen deutschem Konsulat und den pakistanischen Regierungsbevollmächtigten Schwierigkeiten. So wurde eine der beiden TWA in den Norden des Schadensgebietes entsandt, musste auf halber Strecke aber wieder umkehren. Ein zeitraubendes Unterfangen aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse.
Am 27.11. wurde dann eine der TWA auf dem Flugplatz in Chittagong in Betrieb genommen. Die Verteilung des Trinkwassers auf den umliegenden, kleinen Inseln übernahmen Hubschrauber der Bundesluftwaffe. In Folge erreichten weitere Transall-Maschinen mit Kräften und Ausstattung des Malteser Hilfsdienstes (MHD) den Flugplatz Chittagong, das Entladen übernahmen die Helfer des THW. Gemeinsam mit dem MHD wurde mit der Ausstattung ab dem 28.11. ein Feldlazarett auf der Insel Hatia errichtet. Insgesamt wurden bis zum 30. November vier Hospitalzelte aufgebaut. Die Inbetriebnahme erfolgte am 1. Dezember. Das THW übernahm handwerkliche Aufgaben, wie den Bau der Latrinen und Sitzgelegenheiten, die Installation elektrischen Lichts, aber auch die Durchführung des Sprechfunkverkehrs. Außerdem wurde weiter Trinkwasser aufbereitet.

Am 6. Dezember entschied die Bundesregierung das Lazarett auf Dauer in Pakistan zu belassen. Für die THW-Helfer bedeutete dies, dass örtliche Handwerker und Techniker in den Betrieb unterwiesen werden mussten.

Ab dem 10. Dezember 1970 begann die Bundesluftwaffe mit dem Transport der ersten Ausstattung und Hubschrauber nach Deutschland. Für das THW begann ebenfalls die Planung der Personal- und Materialrückführung. Die Übergabe des Lazarettes und der zugehörigen Ausrüstung wurde für den 14. Dezember 1970 vereinbart. Am 15.12. flog das THW-Team mit den verbliebenen Bundeswehr-Hubschraubern zurück nach Chittagong.

Nach fast vier Wochen Einsatz erreichten die THW-Helfer am 20. Dezember 1970 Köln-Wahn und damit heimatlichen Boden.