Aug

2015

Helmut Kellner: Vor 40 Jahren „Kampf gegen Feuerwalze in der Lüneburger Heide“ – ein persönlicher Rückblick des THW-Einsatzleiters für den Einsatzabschnitt Celle / Eschede

Im August 1975, es war ein knochentrockener Sommer ohne nennenswerte Niederschläge, brannte es an vielen Stellen in Niedersachsen. Zunächst im Raum Gifhorn, später im Raum Unterlüss und Eschede bei Celle.

Ich war seinerzeit Hauptsachgebietsleiter Einsatz im Landesverband Hamburg und informierte mich laufend über Rundfunk und Fernsehen über das Geschehen. Schließlich wohnten meine Eltern in Eschede und mein Bruder in Celle. Ich war in Celle zur Schule gegangen und kannte die örtlichen Gegebenheiten im Landkreis Celle.

Meine Probezeit als „Hauptamtlicher im THW“ hatte ich im letzten Halbjahr 1974 im Landesverband Niedersachsen in Hannover absolviert und kannte daher auch die Verhältnisse in Niedersachsen und die Kolleginnen und Kollegen der LV-Dienststelle.

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Nachdem sich die Lage im Raum Eschede zunächst beruhigt hatte und der Oberkreisdirektor meinte, keine weiteren Kräfte mobilisieren zu müssen, frischte am 11. August 1975 der Wind erneut auf und trieb die Flammen auf 300m Breite vor sich her, mit wechselnden Richtungen.

Mangel an Löschwasser und Brand entfernte Wasserentnahmestellen erschwerten die Löscharbeiten. Die örtlichen Kräfte waren bereits erschöpft und wurden schon von ortsfremden Wehren abgelöst. THW-Kräfte aus mehreren Ortsverbänden des LV Niedersachsen waren bereits im Kreis Gifhorn im Einsatz.

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Am 11. August begab sich der leitende Branddirektor Maximilian Puchner von der Berufsfeuerwehr Hamburg in das Einsatzgebiet Oldendorf/Eschede um mit BGS-Oberst Mally, der die Einsatzleitung vom OKD Celle inzwischen übernommen hatte, den Einsatz von Freiwilligen Feuerwehren der Hansestadt und Teilen der Berufsfeuerwehr vorzubereiten.

Noch in der Nacht zum 12. August forderte LBD Puchner die Unterstützung des THW Hamburg mit nachstehenden Einsatzaufgaben an:

– Unterstützung der Feuerwehren bei der Wasserförderung über lange Strecken

– Schlagen von Brandschneisen

– Bau von Knüppeldämmen und leichten Behelfsbrücken

– Verlegen und Unterhaltung von Berieselungsanlagen (Wasservorhänge)

– Betrieb von Pumpen zur Befüllung von Tanklöschfahrzeugen aus Teichen und Gewässern

– Betrieb von Notstromaggregaten zur Versorgung kleiner Ortschaften und Gehöfte

– Aufbau und Betrieb eines Kraftstoffversorgungspunktes

– Gestellung eines Materialerhaltungstrupps

– Transportmöglichkeiten von Mobiliar bei Evakuierungen

– Betrieb einer Abschnittsführungsstelle

Diese vorgegebenen Einsatzoptionen wurden von den eingesetzten THW-Kräften in verschiedenen Stationen im Laufe der sechs Einsatztage abgearbeitet und werden im Folgenden nicht weiter erwähnt.

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Logistik / Materialerhaltung 1975  –  es ging auch so!

Die THW-Einheiten aus Hamburg sollten sich am 12. August nachmittags in Oldendorf melden.

Nicht ganz unvorbereitet liefen die Alarmierungen der benötigten Kräfte nachts in der Dienststelle des Landesbeauftragten unter Leitung von Hamburgs LB G. Trautvetter an.

Das Wort „Wassermangel in der Heide“ hatte man auch in Hamburg nicht überhört. Durch die Vermittlung einer Führungskraft aus dem BV Elmsbüttel kam es zum Kontakt mit dem Chef der Hamburger Tanklastspedition Bruno Hoyer (heute Hoyer Group). Der Firmenchef bot dem THW kostenlos zehn Tanklastzüge mit 38.000 Litern Wasser pro Kfz. an. Zwei Fahrzeuge sollten zum Selbstkostenpreis im Einsatzgebiet verbleiben und vom THW jeweils nachgetankt werden. Ein kurzes Telefonat mit Herrn Direktor Zielinski in Bonn brachte mir bezüglich der Kosten die Zustimmung der Leitung. Alles geschah ohne Vermerke oder Papier!

So machte sich in den Mittagsstunden des 12. August eine lange Kolonne von THW-Fahrzeugen und Tanklastern mit Sondersignal auf den Weg in das 120 km entfernte Einsatzgebiet. 80 Feuerwehr-fahrzeuge und 300 Feuerwehrmänner der FF und BF Hamburg hatten zu diesem Zeitpunkt das Einsatzgebiet schon erreicht.

Am Spätnachmittag erreichten wir die BGS-Einsatzleitung in Oldendorf. Hier konnte ich im Wohnzimmer des Ortsbürgermeisters Herrn LBD Puchner melden: „THW Hamburg mit 250 Helfern und  35 Fahrzeugen und 380.000 Liter Wasser in zehn Tanklastzügen eingetroffen.“

Staunen, wundern und ich glaube, von der Stunde an hatte das THW Hamburg seinen Stellenwert bei der BF Hamburg gefunden. Doch es sollte noch  besser kommen!

„Schön, dass Sie da sind. Suchen Sie sich in der Umgebung einen Bauernhof, wo sie unterkommen können und einen ortskundigen Feuerwehrmann. Ihre Mannschaft wird von uns in Schulen und Turnhallen untergebracht, Verpflegung ist sichergestellt.“

„Herr Puchner, ich kenne den gesamten Landkreis bestens, ich gehe zunächst nach Eschede in das Haus meiner Eltern und bin ab sofort telefonisch und über Funk erreichbar. Ich kann aber auch jederzeit nach Celle zu meinem Bruder verlegen. Dort bin ich auch sofort telefonisch erreichbar.“ Wieder freudiges Erstaunen!

Die ersten Einsatzaufträge wurden vor Ort an die Einheiten vergeben und das Wasser der Tanklaster an die an den Straßen stehenden TLF’s verteilt. Damit begann der Einsatz für das THW!

Die 8 km lange Fahrt von Oldendorf nach Eschede ging auf der gesperrten Landstraße mitten durch das abgelöschte Brandgebiet. Links und rechts glimmende Glutnester, dort wo ich alljährlich mit meinem Vater Pilze gesammelt hatte. Alles war verbrannt, so etwas hatte ich noch nie gesehen.

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Ich bezog zügig mit einigen Führungskräften Haus und Hof meiner Eltern und wir hatten unsere „Führungsstelle“.

Wenige Stunden nach Einsatzbeginn tauchte Zugführer Bernd Balzer (heute stellvertr. Bundessprecher), der für den Einsatz der Elektrokräfte zuständig war, auf und meldete: „Ortschaft Starkshorn wieder am Netz mit 50 KVA“. Sprach es und trank mit meinem Vater ein DAB (Dienst-Abschluss-Bier), was sich an den folgenden Abenden wiederholte.

Wegen der wechselnden Windverhältnisse bat mich LBD Puchner am 13. August, doch lieber nach Celle zu verlegen. Er stellte mir einen Fernmeldezug der Freiwilligen Feuerwehr unter Leitung von Landesfernmeldeführer Klaus-Dieter Göhle zur Verfügung. „Einsatzzentrale“ war nun die Garage und der Partykeller meines Bruders in Celle, die Fernmeldeeinheit stand in der Garagenauffahrt.

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Der THW-OV Celle hatte in seiner Unterkunft keinen Telefonanschluss, war aber besetzt und musste bei Bedarf mit Meldern angefahren werden.

Mit der Dienststelle des THW in Hannover wurde sofort Kontakt aufgenommen und Landesbeauftragter Hans Sahlender kam sofort nach Celle und übertrug mir auch die Leitung der im Raum Celle eingesetzten niedersächsischen Ortsverbände.

Die Personaldecke in Hannover war dünn. Die Stelle des Hauptsachgebietsleiters war vakant. Mitarbeiter der LV-Dienststelle und ehrenamtliche Führungskräfte waren bei den Einsatzleitungen in den Kreisen Gifhorn und Lüchow-Dannenberg im Einsatz. LB Sahlender kam jeden Abend zur Lagebesprechung nach Celle, zeitweilig war auch LB Trautvetter aus Hamburg dabei.

Zwischenzeitlich waren Kräfte aus der halben Bundesrepublik im Einsatz. Feuerwehrstäbe wurden ausgetauscht. Im Brandgebiet Celle waren nun die Berufsfeuerwehren Berlin, Duisburg, Koblenz und Frankfurt zuständig. Neue Führungsstrukturen wurden aufgebaut. Die Fernmeldeeinheit aus Hamburg wurde durch einen THW-Fernmeldezug aus dem OV Rheine unter Führung von Zugführer August Funke abgelöst.

Der Landesbeauftragte NRW, Siegfried Drogies, kündigte zehn Führungsgruppen Bereitschaft aus NRW an. Er hatte aber versäumt, vorher seinen Innenminister zu fragen, mit dem Erfolg, dass die anrückenden Fahrzeuge umkehren mussten.

Auch THW-Kräfte wurden ausgetauscht und so war auch ein Kontingent mit ca. 100 Helfern unter Führung von Geschäftsführer Jasper Wolf im Anmarsch.

Die Stadt Celle hatte mir über die Einsatzleitung ein geräumtes ländliches Anwesen mit Unter-kunftsräumen etc. im Raum Hustedt mit der Ortsbezeichnung „Salinenmoor“ zur Übernachtung und Unterbringung angeboten. Über Funk bat ich GF Wolf, dort zu übernachten. Ich würde am nächsten Morgen Punkt 7.00 Uhr zum „Antreten“ erscheinen und die weiteren Einsatzaufgaben bekanntgeben. Zum angegebenen Zeitpunkt fuhr ich mit meinem MUNGA zum 8 km entfernten Salinenmoor.

Ein größeres Gelände, eingezäumt mit offen stehendem Tor, einigen Stallgebäuden und ein hufeisen-förmiger Wohntrakt erwarteten mich. Fein säuberlich aufgestellte THW-Fahrzeuge, aber weit und breit war kein Helfer zu sehen.

Das Funkgerät im MUNGA versuchte mich zu erreichen. Ich war zu Fuß unterwegs und bemerkte dabei wild gestikulierende Helfer an den vergitterten Fenstern zum Hof. Des Rätsels Lösung war, Salinenmoor war ursprünglich der Außenstützpunkt der Celler Justizvollzugsanstalt mit Mehrbettzimmern, Waschgelegenheiten und Toiletten, nur die Türen der Zimmer (Zellen) ließen sich von innen nicht öffnen! Nachdem die Helfer befreit waren, ging auch die Arbeit weiter.

Am 19. August konnte der Einsatz des THW Hamburg im Raum Celle beendet werden und die Einheiten fuhren wieder in ihre Standorte.

Es waren 5000 Helfer aus vier Bundesländer eingesetzt:

LV Niedersachsen             60 Ortsverbände               4.300 Helfer                300 Fahrzeuge

LV Hamburg                      7 Bezirksverbände                450 Helfer                   55 Fahrzeuge

LV Bremen                                                                               3 Helfer

LV Nordrhein-Westfalen    1 Ortsverband                         8 Helfer                     3 Fahrzeuge

Insgesamt waren 34.000 Helfer mit 4.655 Fahrzeugen, 78 Hubschrauber, div. Panzer und drei Lösch-Flugzeuge im Einsatz. Zu beklagen waren fünf Todesopfer der Freiwilligen Feuerwehr, die von den Flammen eingekesselt worden waren und verbrannten.

Im September 1975 bekam ich Post von der Landesregierung Niedersachsen:

„THW-Landesverband Hamburg, z.Hd. Herrn HSGL Kellner, in der Post war eine Rechnung der Fa. Hoyer über 300.000 DM für Transporte in Niedersachsen, Reinigung und Desinfektion von zwei Tanklastzügen mit der Bitte zu erklären, wer, was, wo, wann veranlasst und genehmigt hatte. “

Ich hatte nichts in meinen Händen, außer dem Wort des Direktors Zielinski, dass das THW die Kosten übernimmt. Ich schickte ihm die Rechnung und er hielt Wort!

Bei meiner Verabschiedung 1980 in Hamburg, zum Wechsel in den Landesverband NRW, erhielt ich aus den Händen von Hamburgs Oberbranddirektor M. Gebhardt und dem leitenden Branddirektor Maximilian Puchner, das „Deutsche Feuerwehr-Ehrenkreuz in Silber“. Ob das wohl etwas mit dem Waldbrand in Niedersachsen zu tun hatte?

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Bilder wurden von Rudi Heppe, Hameln, zur Verfügung gestellt;                                                                         Veröffentlichung der Lagekarte des Einsatzgebietes Oldendorf/Eschede/Celle mit Genehmigung des Feuerwehr-Magazins