Jan

2013

Nikolaus Ziske: Das THW-Blau – eine historische Spurensuche

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GKW Prototyp 2009 (Quelle: THW, Stefan Schumacher)

Die Einsatzfahrzeuge, Dienstanzüge und Fahnen des Technischen Hilfswerks (THW) fallen durch ihre blauen Farbtöne auf und prägen das Erscheinungsbild der Hilfsorganisation. Die Bezeichnung THW-Blau hat sich seit Jahrzehnten durchgesetzt und soll an dieser Stelle Gegenstand einer historischen Untersuchung sein.

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Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich entscheidet über die neuen Dienstanzüge für das THW – in „Friedrichsblau“ (Quelle: BMI)

Bei der Farbe der Dienstanzüge des THW, die in der Richtlinie über die Bekleidung und Kennzeichnung im Technischen Hilfswerk (Bekleidungsrichtlinie)[1] festgelegt ist, gab es 2011 eine Veränderung. Die „lichtblauen“ Dienstanzüge, die auf Weisung des damaligen Bundesinnenministers Hans-Dietrich Genscher ab 1974 beschafft wurden[2], werden durch neue Anzüge in „Friedrichsblau“[3] ersetzt.

Bild3Auszug aus der THW-Fibel von 1977

In der THW-Fibel von 1977[4] im Teil I.9 auf Seite 52 wurde die „Farbe des THW“ im Rahmen der Grundfarben der Fachdienste wie folgt festgelegt:

ultramarinblau (RAL 5002)   Farbe der Fahrzeuge
lichtblau (RAL 5012)              Dienstbekleidung u.a.

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Mitteilung für THW-Führungskräfte 11/1974  (vielen Dank an Simon Herzog für die Übersendung der Unterlagen)

Der erste Beleg für den bis heute verwendeten Farbton RAL[5] 5002 ist in den Mitteilungen für THW-Führungskräfte 11/1974 abgedruckt. Mit Verfügung des THW-Direktors vom 29. April 1974 wurde die „Farben, Dienststellungskennzeichen und Abzeichen für Sonderausbildung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk“ erlassen.

Das Bundesamt für Zivilschutz (BZS) hatte als eine der zahlreichen Verwaltungsvorschriften zum Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes[6] von 1968 die „KatS-Fachdienstfarben-VwV“[7] erlassen. Diese Regelung wurde in der THW-Fibel dargestellt. Auch wenn die entsprechende Verwaltungsvorschrift bereits 1980 wieder aufgehoben wurde[8], blieb die Regelung für das THW bestehen.

Über den THW-Helfertag in Gießen am 31.10.1970 heißt es: „Es war ein einheitliches und eindrucksvolles Bild, das sich dem Parlamentarischen Staatssekretär in Gießen bot: Mehr als dreihundert THW-Helfer in gleicher Dienstbekleidung, dazu rund hundert Fahrzeuge in blauer Farbe, THW-blau wie das vorgeführte Gerät.“[9]

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 THW-Schriftenreihe, Heft 13 von 1967

Bevor ultramarinblau als Fachdienstfarbe des Katastrophenschutzes festgelegt wurde, war die Lackierung der THW-Fahrzeuge bereits blau. Über den Festumzug anlässlich der 600-Jahr-Feier der Stadt Erlangen heißt es beispielsweise: „Die blankgeputzten blauen Fahrzeuge und die tadellos gekleideten THW-Männer machten einen sehr guten Eindruck, so daß sie durch ihr Auftreten für das THW warben.“[10]

Dabei handelte es sich um einen anderen Farbton und zwar RAL 5003. In der Zeitschrift „Das Technische Hilfswerk“ Jg. 1963, Heft 2, S. 18[11] wird der Zusammenhang dieser Lackierung mit der Befreiung von der Kfz-Steuer wie folgt erläutert:
„Die Einsatzfahrzeuge des THW werden auf Grund des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 des Kfz-Steuergesetzes in der Fassung vom 19. Dezember 1960 (BGBL I S. 1005) von der Kfz-Steuer befreit, solange sie ausschließlich im Katastrophenschutz verwendet werden. Voraussetzung ist, daß die Fahrzeuge äußerlich als für diese Zwecke bestimmt erkennbar sind. Mit anderen Worten wird ein einheitlicher Farbanstrich und die Kennzeichnung durch Embleme gefordert, wenn eine Freistellung nach dem Kfz-Steuergesetz erfolgen soll. (THW-Emblem auf blauem Farbanstrich nach RAL 5003)“ So führte die Steuergesetzgebung zum einheitlichen Erscheinungsbild der Einsatzfahrzeuge.

In der Ausarbeitung von Alfred Grard zur Geschichte der THW-Fahrzeuge[12] wird auch für die Lackierung in den 1950er Jahren fälschlicherweise die Farbe Ultramarinblau angegeben: „Von einigen Ausnahmen aus der Gründungszeit abgesehen, waren ihre Karosserie stets ultramarin blau RAL 5002.“ Folgt man den oben genannten Angaben aus der THW-Zeitschrift von 1963 wäre Saphirblau richtig.

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THW-Schriftenreihe, Heft 10 von 1963

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THW-Schriftenreihe, Heft 7 von 1960

Die Bekleidung der THW-Helfer war Anfang der 60er Jahre ebenfalls dunkelblau und bestand aus Arbeitsanzug und Schiffchen (THW-Schriftenreihe 10/1963). Davor gab es khakifarbene Arbeitsanzüge mit blauem THW-Abzeichen als Aufnäher und Schirmmützen (THW-Schriftenreihe 7/1960). Die Aufnäher in verschiedenen Blautönen sind heute noch erhältlich[13].

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  THW-Abzeichen dreieckig

Der THW-Stand auf der Deutschen Industrie-Ausstellung in Berlin im Jahre 1953 war bespannt mit „leuchtendem THW-blauem Rupfen“[14].

Auch die Veröffentlichungen des THW sind in den Gründerjahren mit blauem THW-Emblem geschmückt.

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 THW-Schriftenreihe, Heft 1 von 1953

Technische Nothilfe

Die blaue Farbe für das THW ist jedoch keine Erfindung der Nachkriegsjahre, sie kann bis in die Zeit der Weimarer Republik zurückverfolgt werden. Damit gelangt die Technische Nothilfe (TN) als Vorgängerorganisation des THW in den Focus. Einige Uniformen und Arbeitsanzüge der Technischen Nothilfe (TN) im Zweiten Weltkrieg waren blau[15].

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 Dienstkleidung der Technischen Nothilfe 1940

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 Arbeitsanzug der TN (blauer Drillich)

Quelle: Axis History Forum[16]

 

Die Entscheidung für diese Farbe fiel 1933 und wird in den „Mitteilungen der Technischen Nothilfe“, Jg. 14, Nr. 12 vom 16. Juni 1933 auf Seite B 137[17] erläutert.

Unter dem Titel „Die blaue Arbeitskleidung wird Ehrenkleid der T.N.“ wird ausführlich über die Gründe für die Wahl der blauen Farbe berichtet. Der Text soll daher hier vollständig wiedergegeben werden:

„Eine Frage, der man ab und zu begegnet, ist die, warum gerade eine blaue Bekleidung gewählt worden sei. Die Beantwortung ist nicht schwer, wenn man sich selbst einmal alle Seiten der Frage klar besieht. Zunächst lag es auf der Hand, nur eine Bekleidung einzuführen, die der Tradition der Technischen Nothilfe entsprach. Im Hinblick darauf, daß es die blaue Jacke bzw. der blaue Arbeitsanzug war, in dem die ersten und die nachfolgenden tausende und aber tausende Nothelfer in schweren, gefahrvollen Zeiten unter Einsatz ihres Lebens bei Einsätzen in lebenswichtigen Betrieben ihre Arbeiten zum Wohle der Allgemeinheit verrichteten, konnte ein anderer Anzug für das Auftreten in der Öffentlichkeit als der jetzige überhaupt nicht in Frage kommen. Mit der Einführung dieses einfachen Arbeitsanzuges als offizielle einheitliche Bekleidung, die bei öffentlichem Auftreten der Technischen Nothilfe zu tragen ist, ist nur ein selbstverständlicher notwendiger Schritt getan, um die Arbeitskleidung zum Ehrenkleid der T.N. zu erheben und damit die in jenem Kleid vollbrachten Leistungen der vielen unbekannten Nothelfer zu ehren. So tritt nun neben das blaue Arbeitspäckchen die blaue, schmucke T.N.-Bekleidung.
Natürlich waren noch andere Gründe dafür maßgebend, wenngleich nicht entscheidend. So konnte beispielsweise keine Bekleidung gewählt werden, die anderen bereits eingeführten in der Farbe glich, weil die an solche einheitliche Bekleidung zu stellende Vorbedingung nicht mehr erfüllt gewesen wäre, daß möglichst schon auf den ersten Blick eine klare Unterscheidung gewährleistet sein muß. Um so mehr ist dies aber erforderlich, wenn, wie es doch tatsächlich der Fall ist, Angehörige der verschiedenen Organisationen zu gleichen Anlässen zusammenwirken. Man stelle sich die Schwierigkeiten der Befehlsführung bei Aufmärschen oder Einsätzen in Fällen höherer Gewalt vor! Aus organisatorischen Gründen war für die Bekleidung die Wahl der Farbe geboten, die jede Verwechslung ausschloß, und das war die blaue Farbe.“

Tradition und Unterscheidung von anderen Organisationen gaben den Ausschlag. Mit anderen Worten: die TN sollte sich von den braunen NSDAP-Uniformen unterscheiden und es kann darüber spekuliert werden, ob damit auch eine inhaltliche Abgrenzung signalisiert werden sollte.

Weitere Theorien

In der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ wurde die Behauptung aufgestellt, dass „nach dem Zweiten Weltkrieg die Fahrzeuge von Bergungszügen blau angestrichen wurden. So konnte man die ‚rote Feuerwehr‘ für die Brandbekämpfung von der ‚blauen Feuerwehr‘ für Bergungsaufgaben unterscheiden.“[18] Dieser Inhalt wurde 2007 vermutlich von einem Helfer der Feuerwehr Gross-Ellershausen eingegeben. Die entsprechende Internetseite enthält Angaben und Fotos über einen blau lackierten GW-R der Freiwilligen Feuerwehr Göttingen[19]. Auch in der Feuerwehrfahrzeugdatenbank[20] wird darüber berichtet: „Dieses Fahrzeug gehörte ursprünglich zum Bergungszug der Freiwilligen Feuerwehr Göttingen. Er war nie beim THW. Die Stadt Göttingen hatte einen Bergungszug bei der FF aufgestellt, einmalig in Niedersachsen. Der Bergungszug enthielt 2 MKW und 1 GKW und war identisch mit den Zügen des THW. Die Fahrzeuge wurden auch direkt bei den THW-Aufbauherstellern gekauft, deshalb die Lackierung in Blau.“

Hinweis von Simon Herzog: Die Feuerwehr Göttingen stellte ebenso wie etliche THW-Ortsverbände bis in die 1990er Jahre einen Bergungszug im erweiterten Katastrophenschutz. Auch in Sinzig, Limburgerhof, Mainz und Hamburg wurden Bergungszüge durch Freiwilligen Feuerwehren gestellt. Beschafft wurden die Fahrzeuge für die verschiedenen Organisationen im erweiterten Katastrophenschutz durch das damalige Bundesamt für Zivilschutz, das auch nach 1980 an den Fachdienstfarben festhielt. Ausnahmen bilden ein Regie-Bergungszug in Bamberg mit orange lackierten Fahrzeugen und einige rote Fahrzeuge bei verschiedenen Bergungszügen in Hamburg (Blauer GKW im Internet unter: http://files.bos-fahrzeuge.info/vehicles/photos/a/9/7/2/4469-large.jpg).

 

 

Exkurs: Reichswehruniformen bei der Technischen Nothilfe

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 Anlage XXVa aus dem Handbuch für den Dienstbetrieb der Technischen Nothilfe

Nach der Gründung als Technische Abteilung im Jahre 1919 besaßen viele Nothelfer als ehemalige Soldaten Bekleidung und Ausrüstung der Reichswehr. Mit Erlass des Reichswehrministeriums Nr. 1601/2 vom 16.2.1920[21] wurde festgelegt, dass die TN „Bekleidungsstücke (Drilchanzüge, Mützen, Stiefel, Decken, Kochgeschirr)“ der Heeresverwaltung zurückgeben oder abkaufen musste. Im Heereshaushalt für 1919 standen für die TN fünf Millionen Mark (heute etwa 4 Millionen Euro) zur Verfügung und sollten für die Beschaffung eigener Bestände eingesetzt werden.
Bei den ersten Einsätzen trugen die Nothelfer feldgraue Uniformen oder auch Zivilkleidung, wie auf dem folgenden Bild[22] zu sehen ist.

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 1919/20 Einsatz beim Generalstreik in Berlin, Foto: Scherl

Inhaltliche Anmerkungen und Hinweise zu diesem Thema nimmt die THWhS gerne entgegen.


[1] Bekleidungsrichtlinie. – Stand: 29.04.2009 online im Internet unter: www.thw-gst-straubing.de/Bilder/pdf/BekleidungsRiLi.pdf [letzter Zugriff: 21.11.2012]

[2] Wikipedia „Historische Uniformen des THW“, Kapitel „Dienstanzüge“ online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Historische_Uniformen_des_THW#Dienstanz.C3.BCge [letzter Zugriff: 21.11.2012]

[3] Im Einsatz für die Gesellschaft : THW und Ehrenamt. – In: Innenpolitik : Informationen des Bundesministeriums des Innern (2011), Nov., S. 11

[4] Fibel des Technischen Hilfswerks : Handbuch des Technischen Hilfswerks, Sonderteil 50 / Hrsg.: Bundesanstalt Technisches Hilfswerk. – Bonn. – 1977

[5] RAL-Farben online im Internet unter: www.ral-farben.de

[6] Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes online im Internet unter: www.bgbl.de/Xaver/text.xav?bk=Bundesanzeiger_BGBl&start=%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl168s0776.pdf%27]&wc=1&skin=WC

[7] ZS-Magazin 6/1976, S. 56 online im Internet unter: http://gsb.download.bva.bund.de/BBK/Magazin/BBK_Bevoelkerungsschutz197606.pdf#page=58

[8] ZS-Magazin 7-8/1980, S. 68 online im Internet unter: http://gsb.download.bva.bund.de/BBK/Magazin/BBK_Bevoelkerungsschutz198007.pdf#page=70

[9] Das Technische Hilfswerk 11/1970, S. 3 online im Internet unter: www.thwhs.de/wp-content/zeitschriften/197011.pdf

[10] Das Technische Hilfswerk 9/1967, S. 18 online im Internet unter: www.thwhs.de/wp-content/zeitschriften/196709.pdf

[11] Das Technische Hilfswerk 2/1963, S. 18 online im Internet unter: www.thwhs.de/wp-content/zeitschriften/196302.pdf

[12] Grard, Alfred, 50 Jahre THW. – In: Brekina-Autoheft 1999/2000, S. 39 – 42

[13] Yatego Shop online im Internet unter: www.yatego.com/army-store/p,4f110273acf7b,464d5b001e8787_6,thw-abzeichen-emblem-dreieckig [letzter Zugriff: 21.11.2012]

[14] Das Technische Hilfswerk 3/1954, S. 8 online im Internet unter: www.thwhs.de/wp-content/zeitschriften/195403.pdf

[15] Die Dienstkleidung der Technischen Nothilfe / hrsg. vom Reichsamt Technische Nothilfe. – Berlin, 1940. – 52 S.; Die Dienstkleidung der Technischen Nothilfe : Auszug aus den Bestimmungen über die Dienstbekleidung der TN. – Berlin : Räder-Verl., [1940]. – 16 S.

[16] Axis History Forum: TeNo Blue Arbeitsuniformen / Drillich online im Internet unter: http://forum.axishistory.com/viewtopic.php?f=8&t=155866&start=45 [letzter Zugriff: 22.11.2012]

[17] Mitteilungen der Technischen Nothilfe / Reichsamt Technische Nothilfe. – Berlin. – 14 (1933), 12, S. B137-B138. – Beilage zu: Die Räder

[18] Wikipedia „Technisches Hilfswerk“, Kapitel „Farbgebung“ online im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Technisches_Hilfswerk#Farbgebung [letzter Zugriff: 22.11.2012]

[19] Internet Archive online im Internet unter: http://web.archive.org/web/20050113200028/http://www.gross-ellershausen.de/Feuerwehr/GW-R/GW-R.html [letzter Zugriff: 22.11.2012]

[20] Feuerwehrfahrzeug-Datenbank online im Internet unter: http://www.feuerwehr.de/fahrzeugdatenbank/info.php?id=474&bid=3 [letzter Zugriff: 22.11.2012]

[21] Handbuch für den Dienstbetrieb der Technischen Nothilfe beim Reichsministerium des Innern / im Auftrage des Vorstandes nach den Erfahrungen der Reichsdienststellen der Technischen Nothilfe bearbeitet von Ernst Lorenz. – Berlin-Steglitz, 1921/22, Erläuternder Anhang, Anlage A XXVa, S. 25

[22] Wie die Technische Nothilfe entstand. – In: Die Räder (1934), S. 617 ff.