Dez

2014

Rudolf Hattenkofer: Tsunami 2004 – Einsatz auf den Malediven

Einsatzbericht zum THW Auslandseinsatz Tsunami 2004 auf den Malediven von Rudolf Hattenkofer
(Versorgung der Inselbevölkerung mit Trinkwasser – 30.12.2004 bis 14.02.2005)

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THW-Fahne auf dem Einsatzboot

1.0 Schadensereignis 

Das Archipel der Malediven wurde am 26.12.2004 von der Flutwelle nach dem Seebeben vor Sumatra getroffen. Die Welle, die wegen des Korallenaufbaus der Inseln auf den Malediven keine große Höhe erreichte, richtete im mittleren Bereich des Archipels keine größere Schäden an. In der dort gelegenen Hauptstadt MALE funktionieren alle Ver- und Entsorgungseinrichtungen.

Schäden traten in den östlichen (der Welle zugewandten) Inseln des Archipels auf . In den Atollen im Süden und Norden der Hauptstadt wurden auf mehreren Inseln zwischen 70 und 100 % der Gebäude zerstört.

Die Bewohner dieser Inseln sind zum Teil evakuiert worden bzw. sind geflüchtet (nach Angaben des NDMC -NATIONAL DESASTER MANAGEMENT CENTER insgesamt 12.162), ein geringer Teil davon in die Hauptstadt MALE, überwiegend aber auf jeweils benachbarte Inseln mit geringerer Zerstörung der Infrastruktur.

Die verstreute Insellage, mit wenigen Flugplätzen, erlaubt eine Versorgung der Inseln überwiegend nur auf dem Wasserweg. Wegen der Beschädigung vieler Boote während der Flutwelle, steht nur eingeschränkt Transportkapazität zur Verfügung. Wasserflugzeuge stellen die Eiltransporte sicher.

1.1. Landesüberblick

Die Republik der Malediven ist eine Ansammlung von Inseln, die sich auf einer Strecke von 868 km in Nord und Südrichtung erstreckt. Sie decken eine Fläche von ca. 90000 km² ab, davon sind nur 298 km² Inselfläche.

Offiziell gibt es 1190 Inseln, von denen zum Einsatzzeitraum 990 unbewohnt sind, 88 Inseln werden als Touristen-Resorts genutzt.

Auf den 200 bewohnten Inseln leben ca. 328000 Menschen. Die Inseln und Riffe sind in 26 geographische Atolle aufgeteilt, diese wiederum in 20 administrative Regierungsbezirke.

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Maaugoodhoo Island / North Miladhunmadulu Atoll (Shaviyani)

Atolle sind ringförmige Korallenriffe und kleine Inseln, die eine Lagune einschließen. Offene See oder tiefe Kanäle mit einer Tiefe von mehr als 200 Metern unterteilen die Atolle.

Das größte Atoll ist Huvadhoo, mit einer Breite von 65 km und einer Länge von 82 km. Das kleinste Atoll Thoddoo misst im Durchmesser ca. 1,8 km.

1.2. Staat und Politik

Besucht man auf den Malediven eine Behörde oder öffentliche Einrichtung, fällt das obligatorische Bild des Präsidenten Maumoon Abdul Gayoom ins Auge. Er regiert seit 1978 und ist Regierungschef, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Verteidigungs- und Finanzminister sowie Gouverneur der Zentralbank.

1968 erhielten die Malediven eine Verfassung, welche zuletzt 1998 geändert wurde, 1968 Präsidialrepublik im Commonwealth, Parlament mit 50 Mitgliedern (42 direkt gewählt und 8 vom Staatsoberhaupt ernannt). Die Wahl findet alle 5 Jahre statt. Wahlberechtigt sind alle Männer und Frauen ab 21 Jahren, Staatsreligion ist der Islam.

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National Security Service (NSS) mit THW Einsatzkräften auf Vilufushi / Thaa Atoll

Die Republik der Malediven verfügt über keine regulären Armeeeinheiten, Probleme der inneren Sicherheit werden durch Kräfte des National Security Service (NSS) und der Polizei abgedeckt.

1.3. Bevölkerungsstruktur

Im Jahr 2003 betrug die Gesamtbevölkerung 327.135, davon leben zurzeit zwischen 78.000 und 85.000 Malediver in der Hauptstadt Male.

Bedingt durch die schlechte Arbeitslage auf den südlich und nördlich gelegenen Atollen, verlassen viele junge Einheimische ihre Heimatinsel und ziehen in die Trabantenstädte Hulhumale und Villingili.

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Die Hauptstadt Male und Villingili (rechts oben)

Einige Inseln sind sehr stark im Wandel, z.B. übersiedelten die 1166 Einwohner von Maakadoodhoo auf die nördlich gelegene Insel Milandhoo, da sich auf Maakadoodhoo kein geeigneter Hafen befindet.

1.4. Klimatische Verhältnisse

Die Malediven haben eine durchschnittliche Temperaturspanne von 25 bis 36 Grad C°.

Die Jahreszeiten sind geprägt durch zwei Monsunperioden. Zwischen Mai und November bringt der Süd-West Monsun starke Regenfälle vom afrikanischen Festland, während der Monate Dezember bis April herrscht trockenes und warmes Wetter mit sehr wenig Niederschlägen.

Während dieser Trockenzeit ist alle 5 bis 8 Wochen mit sehr kurzen, aber starken Regenschauern zu rechnen. Die kurzen Regenschauer während der Trockenzeit können aber je nach Lage des Atolls bis zu 3 Monate ausbleiben. Abgesehen von der Hauptstadt Male, wird das Regenwasser gesammelt und als Trinkwasser verwendet, die Inseln sind daher auf regelmäßige Regenfälle angewiesen.

Der Einsatzzeitraum fiel in die Trockenzeit, es waren kaum Regenfälle zu verzeichnen.

2.1 Schadensereignis und Einsatzauftrag

Am 26.12.2004 gegen 7.59 Uhr schob sich die indische Kontinentalplatte ca. 20 Meter über die kleine Burma-Platte. Die Erdkruste machte entlang des Sundagrabens auf 1000 km Länge eine Kippbewegung. Der westliche Teil der Burma-Platte schnellte ruckartig um mehrere Meter nach oben, östlich dieser Erhebung sinkt der Meeresgrund um mehrere Meter ab. Es ist mit einer Stärke von 8,5 das viert stärkste Erdbeben seit Beginn exakter Zeitmessungen vor rund 125 Jahren. Nach drei Minuten und 40 Sekunden erreicht es den Norden der Nikobahren, mehr als 400 km vom Epizentrum entfernt. Die Druckwelle des Seebebens setzte sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 700 km pro Stunde fort und erreichte die Republik der Malediven gegen 9.30 Uhr.

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Flutwelle in Vilufushi / Thaa Atoll am 26.12.2004

Die Welle erreicht die Inseln in zwei Wellen, die erste (siehe vorhergehendes Bild) überschwemmt die Inseln in einer Höhe von ca. 140 cm, die zweite Welle mit ca. 180 cm.

Die Flutwelle begräbt ca. zwei Drittel der Hauptstadt unter sich. Viele der zerstreuten Atolle werden vollständig überschwemmt.

Die Schäden sind enorm, halten sich aber im Vergleich zu Indonesien und Sri Lanka noch in Grenzen. Die Korallenriffe, die jeder Insel vorgelagert sind, wirken wie große Schutzwälle. Zudem hebt sich der Atolluntergrund steil aus dem Meer, die Bildung der Welle wurde so gemildert.

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Sekunden später (Vilufushi / Thaa Atoll)

Große Schäden traten vor allem in den östlichen (der Welle zugewandten) Inseln auf.  In den Atollen im Süden und Norden der Hauptstadt wurden auf mehreren Inseln zwischen 70 und 100 % der Gebäude zerstört.

Die Bewohner dieser Inseln wurden zum Teil evakuiert bzw. sind geflüchtet.

Mit der Flutwelle wurden auf vielen Inseln die Regenwassertanks der Gebäude zerstört bzw. umgeworfen. Regenwasser stellt die einzige Trinkwasserquelle dar. Die vorhandenen Brunnen sind wegen des hohen Salzgehalts und der bakteriellen Kontaminierung nur als Brauchwasserquelle verwendbar. Insgesamt sind 37 (der bewohnten) Inseln ohne eigenes Trinkwasser, auf zwei Inseln reicht der Vorrat nur wenige Tage.

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Hauptstraße Vilufushi

Die Inselbevölkerung war nach der Flutwelle faktisch ohne Wasservorräte.  Insgesamt waren 37 (der ca. 200 bewohnten) Inseln ohne eigenes Trinkwasser, auf zwei Inseln reichte der Vorrat nur wenige Tage.  Auf Grund der Trockenzeit war nicht mit Regenfällen zu rechnen, zudem waren die meisten Dächer zum sammeln des Regenwassers zerstört.

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Vilufushi / Thaa Atoll 27.12.2004

Die verstreute Insellage, mit wenigen Flugplätzen, erlaubt eine Versorgung der Inseln überwiegend nur auf dem Wasserweg. Wegen der Beschädigung vieler Boote während der Flutwelle standen nur eingeschränkte Transportkapazitäten zur Verfügung.

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Von der Welle an Land gespültes Boot

2.2 Hilfsmaßnahmen / Einsatzablauf

Die Regierung der Malediven hatte mit dem NATIONAL DESASTER MANAGEMENT CENTER eine interministerielle Einsatzleitung in MALE gebildet.

Das THW-Einsatzteam Malediven startete am 30.12.2004 und kam am 31.12.2004 mit 23 Helfern und einem EU-Koordinator gegen 13.30 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Male an.

Vorrang hatte die Versorgung der Betroffenen mit Trinkwasser und Nahrung. Die UN war seit dem 28.12.2004 mit einem dreiköpfigen UNDAC-Team vertreten.

Nach Erkundung ist deren Prioritätenreihenfolge Trinkwasser, Verpflegung, Logistik, Lebensmittellieferungen sind erfolgt, Trinkwasseraufbereitung war zur Ankunftszeit noch nicht im Einsatz.

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THW-Helfer treffen am National Desaster Management Center ein

Flüchtlingscamps wurden in MALE und auf verschiedenen Inseln in den betroffenen Regionen errichtet. Diese werden aber nur einen geringen Teil der Betroffenen aufnehmen.

Nach den ersten Kontaktaufnahmen mit den lokalen Autoritäten, wurde uns durch die maledivische Regierung ein Quartier zugewiesen. Gleichzeitig kam es zu ersten Meetings im National Desaster Management Center und zu bilateralen Gesprächen mit den Vertretern der einzelnen Ministerien und internationaler Organisationen.

Nach Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium begann am Neujahrstag 2005 die Erkundung durch den Einsatzleiter und den stellv. Einsatzleiter per Wasserflugzeug.

Dabei traf der Einsatzleiter auch mit dem Präsidenten der Republik zusammen. Gleichzeitig nahm der Rest der Teamführung an einigen Koordinations-Meetings teil und organisierte die Logistik.

Am 02 und 03.01.2005 wurden die vier Einsatzteams bestehend aus je einem Gruppenführer, einem Laboranten und drei Helfern TWA mit je einer Trinkwasseranlage und einem Labor mit Booten zu den ausgewählten Einsatzorten verbracht, die Anlagen wurden aufgebaut .

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Trinkwasserproduktion auf Vilufushi

Schon kurz nach Ankunft im Krisengebiet lief die Produktion mit vollen Kapazitäten. Bei den täglichen Lageabfragungen wurden sehr gute Wasserwerte gemeldet.

Die Unterbringung und Verpflegung der Teams war angemessen, die Akzeptanz bei der einheimische Bevölkerung ausgezeichnet.

In den lokalen Medien (Tageszeitung Maledivian Huurvee) erschien ein mehrseitiger, äußerst präziser Bericht über das THW und die Arbeit der Einsatzteams.

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Trinkwasserproduktion auf Buruni / Thaa Atoll

Am 06 und 07.01.2005 wurden die Standorte vom Einsatzleiter Konrad Clos und dem stellvertretenden Einsatzleiter Rudolf Hattenkofer besucht.

Ziel des Besuches war es, sich ein Bild der Lage vor Ort zu verschaffen und das weitere Vorgehen in der Region zu planen. Dem- entsprechend wurde der Personalbedarf für die zweite Januar Hälfte ermittelt und die Reiseplanungen für die Rückführung der Helfer erarbeitet. Es wurde beschlossen, die Teamstärke zu reduzieren.

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Sehr beliebt – Wasser aus den THW Anlagen

Die Akzeptanz der Teams auf allen Inseln ist hervorragend, mehrere deutsche Fernsehteams besuchten die THW-Standorte, das maledivische Fernsehen berichtete wöchentlich über die hervorragende Arbeit der THW-Teams.

Das mitgeführte Anlagen-System Kärcher RO 500 war für die Einsatzbedingungen wie geschaffen. Die Wassermenge von 12 Tonnen pro Tag war bei einer durchschnittlichen Inselpopulation von 1500 Personen ideal. Sämtliche Laborwerte des vom THW gereinigten Wassers entsprachen stets den Richtlinien.

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Anlage in Ugoofaahru / Raa-Atoll

Am 09 Januar 2005 besuchte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Herr Kofi Annan, die THW-Standort in Vilufushi und Kohuvariafushi.

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THW Helfer mit Kofi Annan

Auf seiner Rundreise durch die Region war Herr Bundesaußenminister Fischer am 11.01.2005. zu einem Kurzbesuch auf den Malediven. Durch die sehr guten Kontakte zur lokalen Regierung war es der EL THW möglich, an dem Besuch teilzunehmen. Der Außenminister der Malediven stellte die Arbeit des THW auf den Malediven dar. Herr Fischer zeigte sich sehr interessiert und lobte die Arbeit des THW.

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Außenminister Joschka Fischer mit Einsatzleiter Konrad Clos

Am Freitag den 14.01.2005 flogen 14 der eingesetzten Helfer wieder zurück nach Deutschland.

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THW-Wasser wird abgefüllt

Die Einsatzstellen wurden ab dann mit 2-Mann Teams betrieben, im kompletten Einsatzgebiet verblieb ein Laborant. Gleichzeitig wurde vom Stab in Male der Rücktransport von Ausrüstungsteilen vorbereitet.

Die 2-Mann Teams bewährten sich. Es wurde täglich 6-10 Tonnen Wasser pro Insel produziert.

Die Entscheidung über den Verbleib der Anlagen im Einsatzland fällt, der Stab bereitet eine Übergabe der Anlagen an die maledivische Regierung vor.

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Übersicht der Einsatzstandorte

Eine Produktion über die nächsten Monate, durch lokale Operatoren, wird somit gesichert. Die verbliebenen Teams bereiten die praktische Übergabe der Anlagen vor. An allen Einsatzstellen kann zuverlässiges Personal gefunden werden.

Nach Abschluss dieser Arbeiten reisen weitere 8 THW-Helfer am 30.01.05 zurück nach Deutschland.

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Anlagenschulung in Male

2 Mann bleiben zur Anlagenübergabe und Verschiffung des verbliebenen THW-Materials zurück.

Für die Weiterbildung der örtlichen Betreuer wurde für die maledivische Regierung, der maledivischen Wasserbehörde, der britischen Hilfsorganisation OXFAM und dem internationalen Roten Kreuz eine dreitägige Anlagenschulung durchgeführt.

In dieser Zeit wurde auch bei jeder der THW-Anlagen eine ausführliche Anlagenwartung durchgeführt.

Am 14.02.2005 sind die Arbeiten vor Ort abgeschlossen, die letzten Teilnehmer verlassen die Malediven.

3.0 Teilnehmer

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Abschlußbericht